Pfarrkirche St. Martin Obergünzburg
Bereits im 2. Jahrhundert n. Chr. siedelten Menschen im heutigen Obergünzburg an der ehemaligen Römerstraße von Kempten nach Augsburg. Der Name leitet sich von der Günz ab („Gunze“ bedeutet „Wasser“). Gontia war eine keltische Flussgöttin. Diese Siedlung dürfte auf dem Nikolausberg gelegen sein. 1699 entdeckte man bei Grabungsarbeiten einen römischen Altar, der dem Gott Merkur geweiht war. Eine Kopie des Inschriftensteins ist im Chorschluss der Martinskirche außen angebracht. Das Original befindet sich im Rathaus.
Um 1130 ist dann der Ort „Günzburg“ urkundlich nachgewiesen, der 1407 zum Markt erhoben wurde. 1462 kam es auf Grund der Verwechslung mit dem gleichnamigen Ort bei Ulm zur Namensänderung in Obergünzburg. Von 1572 bis zum Dreißigjährigen Krieg wurden in Obergünzburg sogar Münzen geprägt. Das Gesicht des Marktplatzes veränderte sich mehrmals nach den verheerenden Ortsbränden von 1560, 1656 und 1804.
Pfarrer Heinrich ist der erste namentlich bekannte Priester aus dem Jahr 1239. Von 1451 bis 1456 wurde der Turm errichtet, dessen Taufsteinquader auch heute noch zu sehen sind. Die zweistöckige Wehrmauer schloss den gesamten Friedhof mit ein. Dieser wurde allerdings im 17. Jahrhundert aufgelassen und 1684 auf den Nikolausberg verlegt. Durch zwei Tortürme konnte man in den ummauerten Bereich der Wehrkirche gelangen. Direkt neben dem nördlichen Tor stand der sogenannte „Heiligenspeicher“, in dem der „Getreidezehnt“ der Untertanten gelagert wurde. Im „Tuchhaus“ vor dem südlichen Torturm wurden Tücher und Kürschnerwaren verkauft und gelagert. Während der letzten großen Feuersbrunst im Jahr 1804 brannten 56 Häuser ab. Beim Wiederaufbau wurde 1805 auch die Mauer um die Kirche abgerissen, um entsprechendes Baumaterial zu bekommen. So wurde auch eine der letzten Wehrkirchen im Allgäu zerstört.
Als Baumeister der 1703 bzw. 1711 umgestalteten Gruft- oder Seelenkapelle gilt Johann Jakob Herkomer aus Roßhaupten. 1779 schuf Johann Georg Wirth aus Kempten den Stuck der Kirche. Das große klassizistische Deckenbild und die vier Kartuschen mit Szenen aus dem Leben des hl. Martin malte im selben Jahr der Kemptener Freskant Johann Michael Koneburg. Das Hauptbild zeigt den hl. Martin auf dem Sterbebett, der bereits von der Engelsschar und der Dreifaltigkeit im Himmel erwartet wird. Kroneberg zeigte dabei viel Liebe zum Detail. Unter zwei musizierenden Putten stößt ein Engelchen mit dem Bischofsstab des hl. Martin einen Drachen aus dem Bild. Ganz unten im Fresko halten zwei Mädchen die schnatternde Martinsgans.
Leider blieb von der ursprünglichen Ausstattung nur wenig erhalten. Nach der Neugotisierung im 19. Jahrhundert (1862 – 1864) erhielt die Kirche ab 1923 wieder eine neubarockes Gesicht. Die Altäre und die Kanzel im Stil des Neurokoko wurden ebenfalls ab 1923 angefertigt. Die Altarblätter malte Johann Kaspar aus Reicholzried (1873/74). Kunsthistorische bedeutend sind die Apostelfiguren und die Kreuzigungsgruppe von Franz Ferdinand Etrringer aus der Zeit zwischen 1719 und 1723. Diese wurden im 19. Jahrhundert verkauft, weil sie nicht mehr in die neugotische Ausstattung passen wollten. Ab 1962 gelang es jedoch die meisten Figuren aus Privatbesitz wieder zu erwerben. Nur die Figuren der Apostel Petrus und Paulus sind Kopien. Die Originale befinden sich heute am Hochaltar in der Pfarrkirche in Ebenhofen.
Text und Bilder: Klaus Wankmiller